Dass Auseinandersetzung mit Digitalität unmittelbar mit Raum- und Zeitgestaltung zusammenhängt, ist inzwischen weitreichend bekannt, im Bereich schulischer Digitalisierung jedoch noch kaum umgesetzt. Auch hier zeigt sich, wie stark Schulen, die z.B. alte Raumstrukturen aufbrechen und durch flexiblere, digital-analog verbindende Räume ersetzen wollen, immer wieder durch wenig veränderbare (hier: Raum-)Strukturen eingeschränkt werden. SMASCH kann diese Strukturen auch nicht vollständig überwinden; durch das Projekt können allerdings sowohl Gelegenheitsmomente für Raum-Restrukturierung identifiziert als auch im Rahmen vorgegebener Strukturen Blicke für doch mögliche Veränderung erweitert werden.
Das folgende Fallbeispiel bezieht sich insbesondere auf die Grundschule Johannisland in Neugraben, bei der im 2. Schulhalbjahr im Rahmen von SMASCH-Gesprächen thematisiert wurde, dass ein neues Schulgebäude gebaut und hierdurch drei große Räume frei wurden. In der SMASCH-Gruppe berichteten die Schulakteur.innen von der anstehenden Gestaltung zur Nutzung dieser Räume. Die begleitende Medienpädagogin sowie die SMASCH-Forschenden erinnerten sich, dass zur Startzeit von SMASCH in dieser Schule Raumgestaltung im Kontext von Digitalität insbesondere im Spektrum von Fächern diskutiert (also welche Fachkolleg.innen sollten die Räume nutzen dürfen) sowie, mit Bezug auf Digitalisierung, vor allem über die technische Ausstattung der Räume gesprochen wurde (also wo z.B. Beamer und Smartboard platziert werden sollten). Diese Fragen, die auf der organisatorisch-funktionalen Ebene zu verorten sind, konnten nun jedoch in einen größeren Zusammenhang digitaler Transformation gestellt werden. So wurde die im Prinzip einmalige Gelegenheit deutlich, die Findung der Raumkonzepte zu einem Projekt der Digitalität zu machen sowie zu einem Prozess, an dem möglichst viele Schulakteur.innen (inkl. Schüler.innen) teilhaben sollten. So gesehen markiert dieser Moment einen Wendepunkt, in dem gewohnte Handlungslogiken und Denkstrukturen hinterfragt und aufgebrochen wurden. Das zeigt sich vor allem darin, dass sich der Blick verschob von der Frage ‚Was brauchen wir in den Räumen an Ausstattung?’ hin zur Frage, wie diese Räume gestaltet sein sollten, damit sie die Schule weiterbringen und gleichzeitig neue Formen von analog und digital gestütztem Lernen möglich machen (‚Stellt euch vor, die Räume sind leer…’). Hierdurch wurde ein Denkraum geöffnet, der von Seiten der Schule enorme Dynamiken entfaltete (‚Müssen wir uns an Wände halten?’). Schnell übernahm eine Kollegin aus dem Bereich Sachkunde die Federführung einer kreativen Ideensammelphase, bei der verschiedenste Medien integriert wurden. So wurden Wünsche auf Tafeln und auf einer digitalen TaskCard festgehalten; parallel fanden Basteleinheiten mit Schüler.innen und Lehrer.innen statt, welche ihre Wunschräume im Schuhkarton z.B. per Knete designten. Interessant ist hierbei, dass Schüler.innen wie Lehrpersonen unabhängig voneinander ähnliche Raumkonzepte visionierten. So zeigten die Resultate der Ideensammlung ein sehr klares Bild: Immer wieder wurden einerseits Symbole für Rückzug und Ruhe sichtbar und damit das in der Schule stark präsente Alltagsthema Belastung. Andererseits symbolisierten z.B. geknetete Bühnen oder gemalte Green Screens den Wunsch, Dinge zu produzieren und über möglichst viele mediale Wege kreativ zu sein (siehe Abbildung 9).
Die Diskussionen zu den Entwürfen wurden zunächst auf einer analogen Pinnwand festgehalten und anschließend von einer Lehrperson in die digitale Taskcard überführt (vgl. Abbildung 10). Anhand dieser dokumentierten Diskussionsbeiträge zeigt sich auch, wie Dinge, beispielsweise durch Mobiliar ermöglichte Körperhaltungen (Sitzen, Liegen), neue Relevanz bekamen, damit also etwa die Themen Digitalität und Körperlichkeit sichtbar wurden.
Zum Herbst 2022 ist eine medienpädagogische Expertin für Raumgestaltung in der Schule eingestiegen, die vor allem darin unterstützt, experimentelle Gedankenspiele nicht am Realitätsaufprall scheitern zu lassen, sondern auf Ressourcen und Möglichkeiten zu schauen, möglichst viele der Ideen tatsächlich umzusetzen. So wird ein nächster Schritt sein, dass Delegierte der Schule ein Gymnasium in Hamburg besuchen, welches sich durch sehr experimentelle Raumkonzepte auszeichnet. Schüler.innen aus der Grundschule Am Johannisland werden mitkommen und eigenständig Gespräche mit Schüler.innen der anderen Schule führen können, um sich auszutauschen. Die Erfahrungen der Schüler.innen zum ‚Raumerleben’ werden in einem Podcast-Report festgehalten (mit dem ersten SMASCH-Projektjahr wurde eine Schüler.innen-Podcastgruppe initiiert, die hiermit auch am Raumprojekt beteiligt wird) und in der Grundschule wiederum über die Schüler.innen sichtbar gemacht. Überdies wird die Podcastgruppe partizipative Strukturen der Schule nutzen und das Thema ‚Freiräume’ in der schulinternen Kinderkonferenz besprechen, so dass eine breite Beteiligung in der Schülerschaft angestoßen wird.