
Das letzte Kapitel hat deutlich gemacht, wie sich SMASCH und die Projektschulen im Rahmen des ersten Projektschuljahres kennengelernt und sukzessive erste gemeinsame Schritte gegangen sind, die mit Beginn des zweiten Projektschuljahrs nun systematisch fortgeführt werden. Wenngleich SMASCH auch weiterhin ein kontinuierlicher Findungsprozess bleiben wird und immer wieder Neujustierungen nötig sein werden, so sind inzwischen grundlegende Strukturen, Praktiken und Haltungen etabliert, die für einen fruchtbaren Fortgang des Projekts vielversprechend sind.
‚Projekte der Digitalität‘ verfestigen und ausbauen
Wie in Kapitel 4 dargestellt, haben zum zweiten Projektschuljahr unterschiedliche medienpädagogische und ein IT-Experte begonnen, im Kontext spezifischerer Vorhaben mit den Schulen zusammenzuarbeiten. Die Experten bringen dabei vielseitige Perspektiven auf Unterrichtsentwicklung, Demokratieförderung, Sharing Culture, digitale Beteiligung, Kreativität oder Interkulturalität mit und sind dezidiert in einem breiten, innovations- und gesellschaftlich orientierten Blick auf Digitalisierung ausgewiesen. Vorgesehen ist entsprechend, was anhand ausgewählter Themen und Ansätze bereits im ersten Projektschuljahr begonnen wurde: Vielfältige Ansätze der digitalitätsorientierten Gestaltung von Bildung kennenzulernen, Projekte anzubahnen, diese zunehmend zu etwas ‚Eigenem‘ der Schule zu machen und dann sukzessive gesamtorganisational zu verankern. Mehr als bisher soll es ab dem zweiten Projektschuljahr gleichzeitig darum gehen, schulübergreifende Netzwerke zu initiieren und Schulen an unterschiedlichen Punkten zu den Projekten zusammenzubringen. Dies kann entweder bedeuten, dass mehrere Schulen dasselbe Vorhaben gleichzeitig, aber in unterschiedlichen Phasen durchlaufen (z.B. LMS.lernen.hamburg-Einführung) oder aber, dass in einer Schule bereits eine Reihe von Entwicklungsschritten gegangen werden (z.B. Entwicklung eines VR-integrierten, jahrgangsspezifischen Methodenportfolios), welches dann von einer anderen Schule übernommen und kontextuell weiterentwickelt werden kann. Gerade für diese schulübergreifenden bzw. auch schulvergleichenden Prozesse werden aktuell entsprechende Foki der Begleitforschung initiiert.
Internationale SMASCH-Partnerschaften auf- und ausbauen
Wie eingangs erläutert, bezieht sich dieser Bericht zunächst schwerpunktmäßig auf das Hamburger Schulsample, auch weil die Projektgestaltung in Belgien anders gelagert sowie der Projektstart hier später erfolgt ist. Dennoch hat auch dort im Schuljahr 2021/2022 eine intensive Kennenlern- und Annährungsphase stattgefunden, die seit Beginn des zweiten Projektschuljahrs in eine ähnliche Projektorientierung übergegangen ist wie bei den Hamburger Schulen. Anders als im Hamburger Sample findet in den belgischen Schulen die Prozessbegleitung primär über das belgische Wissenschaftsteam statt sowie indirekt über die internationale Zusammenarbeit.
Bislang haben sich insbesondere zwei Schwerpunkte der wissenschaftlichen Erkundung in den belgischen Schulen herauskristallisiert: Einerseits die mit der belgischen Variante des Digitalpakts (Digisprong) einhergehende zunehmende Plattformisierung von Schule, insbesondere in Hinblick auf die strategische Auswahl und Gestaltung dieser Plattformen sowie in Hinblick auf die wachsende Rolle privater Plattformanbieter. Andererseits die zunehmende Bedeutung automatisierter Technologien in Schulen/in der Schule sowie deren Implikationen auf professionelle Praktiken von Lehrkräften. Ein Beispiel, welches hier aktuell beforscht wird, sind automatisierte Benotungssysteme im Unterricht.
Des Weiteren zielt SMASCH im Prinzip seit Anbeginn darauf ab, nicht nur die wissenschaftlichen Teams international in engen Austausch zu bringen, sondern ebenso die Projektschulen. Aus genannten Gründen stand im ersten Projektschuljahr zunächst vor allem die Erfassung des jeweils individuellen Kontextes der Einzelschulen im Fokus, auch, um später sinnvolle Formen der Vernetzung gestalten zu können. Um dennoch Sichtbarkeit der Schulen füreinander herzustellen sowie Räume eines ersten Kennenlernens zu initiieren, fand Anfang 2022 ein virtueller Kick-Off des Projekts statt, zu welchem Schulvertreter.innen beider Länder, weitere Stakeholder sowie Mitglieder der wissenschaftlichen bzw. Schulbegleitungsteams zusammenkamen. Im September 2022 folgte dann die erste größere internationale Veranstaltung, zu der insgesamt ca. 40 Teilnehmende, u.a. belgische sowie deutsche Vertreter.innen der Schulen, der Lehrkräfteverbände und der Bildungsadministration, zusammenkamen. Unter dem Workshoptitel Sustainable School Digitization? Between (Large-Scale) Policies and Local School Practices diskutierten die Teilnehmenden zunächst einen halben Tag zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten bildungspolitischer Digitalförderprogramme (Digitalpakt in Deutschland, Digisprong in Belgien), ihren Herausforderungen für die Schulpraxis sowie zur Rolle unterschiedlicher intermediärer Akteur.innen (Abbildung 12).


Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, im Rahmen von Gruppen-Workshops an verschiedenen Herausforderungen im Zusammenhang mit der nachhaltigen Digitalisierung von Schule zu arbeiten und durch diese Arbeitsteams zukünftige SMASCH-Schulnetzwerke innerhalb und zwischen den Ländern zu initiieren. Dabei standen drei Workshopthemen zur Auswahl: „Shared joy is double joy; shared sorrow is half a sorrow: International cooperation on digitalization”, „From a digitalization vision to strategy and school curriculum” sowie „Finding commitment by embracing resistance”. Am zweiten Veranstaltungstag besuchten die belgischen Schulvertreter.innen in Begleitung von Wissenschaftler.innen beider Länder Schulen des Hamburger Samples, wobei auf Basis der spezifischen Schulkontexte sowie der bisherigen Projektinteressen Tandems der Schulen gebildet wurden. Die belgischen Gäste hospitierten im Unterricht und traten intensiv in den Austausch mit den jeweiligen SMASCH-Teams. Insgesamt entstanden im Kontext dieser Besuche zahlreiche Ideen für eine fokussiertere Zusammenarbeit, welche aktuell zusammen mit den konkreteren Projektvorhaben koordiniert wird. Weitere internationale Schulbesuche sind ab 2023 geplant.
SMASCH-Plattformen: Aufbau der Labcademy
Ebenso wie SMASCH in den Projektschulen anstrebt, digitale Technologien in einer Weise zu gestalten, dass sie dem jeweiligen Kontext und pädagogischen Anspruch gerecht werden bzw. zur ernsthaften Weiterentwicklung der Gesamtorganisation Schule beitragen, gilt dasselbe für die ‚digitale Organisation’ des SMASCH-Projektes selbst. Entsprechend ist seit Beginn des Projekts die eigene Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der Plattformisierung von SMASCH-Prozessen und -Strukturen eine Daueraufgabe. Aufgrund der hochkomplexen Projekt-
anlage war und ist hierbei die Implementierung unterschiedlicher Plattformen notwendig, die jeweils spezifisch gestaltet werden muss. Eine der wichtigsten Plattformen für das Projekt ist, wenig verwunderlich, die Stelle, an der zeitweise (d.h. bis zur Anonymisierung) sensible Daten über die Schulen abgelegt werden und die entsprechend intensiv gepflegt und beaufsichtigt werden muss. Wie bei jeder Plattform ist auch bei dieser Datenablageplattform alles andere als trivial, wie die Daten sortiert, geordnet und dabei für das SMASCH-Team sichtbar gemacht werden, gerade weil ein möglichst genauer bzw. ‚korrekter’ Wissensstand über die jeweiligen Schulen sichergestellt sein muss. Eine zweite Plattform wurde für die alltägliche, insbesondere für online erfolgende Kommunikation, für nicht-sensible Planungsdokumente etc. implementiert, wobei sich hier ähnliche Fragen (z.B. „Welche Planungen, welche Themen müssen hier abgelegt und behandelt werden?“) ergeben. Schließlich wurden diese intern genutzten Plattformen durch eine Homepage des Projekts (smasch.eu) ergänzt, auf der insbesondere öffentliche Informationen zum Projekt, Veranstaltungsberichte etc. gepostet werden.
Jenseits dieser Plattformen beschäftigt sich das SMASCH-Team seit Initiierung der Arbeit mit den Schulen, wie Dinge, die in den Schulen entwickelt werden, für andere Projektschulen auf einer Plattform sichtbar gemacht werden können, wie ein Austausch der Schulen digital unterstützt werden kann, oder wie Veranstaltungen ‚an einem digitalen Ort’ erfahrbar gemacht werden können. Und wie in den Co-Design-Projekten in den Schulen, so ergeben sich auch hier eine Reihe von Designfragen, die im SMASCH-Team intensiv diskutiert und abgewogen wurden. Eine dieser Fragen betraf etwa den Zugang zur Plattform, der sowohl möglichst geschützt für die Schulen, jedoch nicht zu umständlich erreichbar sein sollte. Am Ende hat sich SMASCH hier für eine Instanz im Rahmen von LMS.lernen.hamburg entschieden und baut diese Instanz aktuell in Kollaboration mit der BSB und OnCampus auf. Auf diese Weise, so die Hoffnung, haben nicht nur die Schulen einen niedrigschwelligen Zugriff in einem System, welches sie ohnehin in vielen Fällen bereits nutzen oder im Kontext von SMASCH entwickeln. Ebenso sieht das Projektteam hierin die höchsten Chancen, Ergebnisse des Projekts zu einem späteren Zeitpunkt für andere Schulen zu öffnen sowie mit Hamburger Angeboten der Lehreraus- und -fortbildung am LI Hamburg (die ebenfalls über LMS.lernen.hamburg organisiert sind) zu verzahnen. Gleichzeitig begibt sich auch SMASCH damit in das vorgegebene Design von LMS.lernen.hamburg, welches wir nun selbst mit den Schulen sowie den begleitenden Expert.innen intensiv co-designen müssen. Dieses Co-Design soll idealerweise in direktem Zusammenhang mit den individuellen Projekten der Schulen passieren, sodass Schulakteur.innen an der Kreierung der Plattform teilhaben bzw. mit ihr experimentieren können. Auch deswegen hat sich das SMASCH-Projektteam für Labcademy, einer Mischung aus Labor und Akademie, als Namen der Plattform entschieden. Ebenso ist geplant, die internationale Kollaboration auf dieser Plattform nicht nur abzubilden, sondern Internationalisierung und Digitalität auch hier systematisch zu verbinden. Ein Beispielthema, welches uns hierbei etwa immer wieder bewegt, ist die Mehrsprachigkeit der Projektteilnehmenden, die zwar alle entweder Deutsch oder Flämisch sprechen, aber nur zum Teil sicher genug im Englischen sind und wir damit eine Reihe von Personen exkludieren würden, wenn wir Angebote (nur) auf Englisch entwickeln. Werden Ressourcen wiederum parallel in mehreren Sprachen entwickelt, erzeugt dies ggf. ‚Silos’ und keine echte Zusammenarbeit an einer Ressource. Ähnliche Abwägungen laufen kontinuierlich im Bereich der Verzahnung analoger und digitaler Entwicklungsschritte, also etwa Termine, die in den Schulen vor Ort stattfinden, mit Austausch- oder Designprozessen auf der Plattform bestmöglich zu verknüpfen. Insgesamt dauert also auch hier die Entwicklung der Plattform ihre Zeit und wird doch, so hoffen wir, am Ende zu einer systematischen Weiterentwicklung und auch Verfestigung von SMASCH beitragen.
Koordination mit anderen digitalen Schulförderprogrammen in Hamburg (und darüber hinaus)
SMASCH würde für die Projektschulen wenig Sinn ergeben, wenn keine enge Abstimmung mit den Hamburger Strukturen der Schulsteuerung und den Programmen der schulischen Digitalisierung stattfinden würde. Bereits im Kontext der Genehmigung des Projekts durch die Schulbehörde erfolgten entsprechend Abstimmungsprozesse über die Ziele und Strukturen, die mit SMASCH angestrebt werden sollen. Von Anfang an unterstützte die Behörde den Aufbau des Projekts, etwa durch die gemeinsame Suche und Gewinnung von Projektschulen, aber ebenso durch die Bereitstellung von Wissen über Entwicklungen der Hamburger Schulen aus Makroperspektive.
Für SMASCH war in diesem Kontext eine sinnvolle Positionierung zum Projekt Digital macht Schule (digitalmachtschule.de) von besonderer Relevanz, welches bereits im Schuljahr 2020/21 von der Hamburger Schulbehörde in Zusammenarbeit mit der Joachim-Herz-Stiftung initiiert wurde. Zunächst waren hieran Pilotschulen beteiligt; seit 2021 ist das Programm in eine umfassendere Fortbildungsreihe zum Thema digitaler Schulentwicklung übergegangen, welche am LI verankert ist und inzwischen von einer substanziellen Anzahl Hamburger Schulen durchlaufen wurde. SMASCH mit seiner besonderen Ausrichtung ergänzt sich fruchtbar mit diesen bereits laufenden Initiativen; gerade mit der zunehmenden Konkretisierung der Vorhaben in den SMASCH-Projektschulen nimmt hier entsprechend auch der Austausch zu.
Neben der engen Koordination mit den Hamburger Programmen ist für SMASCH gleichermaßen wichtig, Projekte und Initiativen anderer Bundesländer (bzw. auch international) im Blick zu haben und hier den Austausch zu suchen. In Kapitel 2 genannte, zunehmend populäre Schulprojekte im Bereich Co-Design sind derartige Beispiele, ebenso wie praktische Ansätze der Förderung der kritisch-produktiven Auseinandersetzung mit Digitalisierung, welche wir dann wiederum an die SMASCH-Schulen weitervermitteln können (siehe etwa die diversen Beispiele in Kapitel 4). Fruchtbarer Austausch findet in diesem Kontext insbesondere auch mit dem Netzwerk Unblack the Box statt (unblackthebox.org), welches von Sigrid Hartong im Jahr 2019 gegründet wurde und zahlreiche dieser Ansätze gesammelt bzw. aufbereitet hat. Aber auch internationale Netzwerke werden zunehmend auf das SMASCH-Projekt aufmerksam. So fand etwa im Dezember 2022 ein gemeinsamer Workshop mit dem australischem Technical Democracy Network in Adelaide statt. Am Ende, so hoffen wir, werden es vor allem die Projektschulen sein, die von dieser hohen internationalen Ausrichtung des Projekts profitieren